Es ist eigentlich jedes Jahr das Gleiche: Pünktlich zum Ende der Fahrradsaison verkünden die Verkehrsverbünde neue Fahrpläne und vor allem neue Tarife für das nächste Jahr. Jedes Mal bewegen sich die preise dabei nur in eine Richtung: Steil nach oben. Auch 2015 ist das nicht anders – besonders nicht in Stuttgart beim VVS.
In den letzten Jahren wurde bei den Preiserhöhungen immer (nachvollziehbarerweise) mit den gestiegenen Personal-, aber insbesondere auch Energiepreisen argumentiert. In den letzte Monaten allerdings sanken letztere wieder sehr deutlich – wer nun aber vermutet, dies würde sich in den Preisen irgendwie niederschlagen, irrt. Zwischen 1,8% und 2,9% sollen die Fahpreise auch heuer wieder steigen, im Schnitt um 2,4%. Die Preiserhöhung im VVS, die 2,5% betragen wird, liegt damit also etwas über dem Bundesdurchschnitt. Begründet wird die erneute „Anpassung“, die deutlich stärker als die durchschnittliche Inflation ausfällt, zum Einen mit gestiegenen Personalkosten. Zum Anderen seien die gestiegenen allgemeinen Betriebskosten verantwortlich – „Weil immer mehr Menschen in Busse und Bahnen steigen, müsse auch mehr Geld in neue Fahrzeuge und Infrastruktur investiert werden“, hieß es. Ich persönlich halte wenig von diesen aktuellen Preiserhöhungen und ihren fadenscheinigen Begründungen, besonders im VVS. Warum, möchte ich in diesem kurzen Kommentar darlegen.
Ich denke natürlich, dass es durchaus gerechtfertigt ist, dass Verkehrsverbünde gestiegene Aufwendungen auf die Ticketpreise umlegen und so an die Kunden weitergeben. Anders ist es schlicht und ergreifend nicht möglich, deswegen sind Preiserhöhungen bei steigenden Energiepreisen unausweichlich. Im Umkehrschluss muss das aber auch bedeuten: Wenn Energie günstiger wird, muss das abenfalls an die Kunden weiter gegeben werden! Eine Preissenkung im ÖPNV ist mir aber nicht bekannt. Zumindest aber sollte die Preiserhöhung in einem solchen Fall deutlich moderater ausfallen und nicht die durchschnittliche Steigerung aller Verbraucherpreise auch noch übertreffen.
Die Preiserhögung wird ja wie gesagt auch damit begründet, dass durch immer mehr Passagiere die Investitionen und Betriebskosten stiegen. Für mich ergibt das keinen Sinn: Im gleichen Maße, in dem mehr Passagiere auch mehr Kosten bedeuten, sollten sie doch auch für steigende Ticketeinnahmen sorgen! Mehr noch, man könnte eigentlich wie in anderen Branchen Skaleneffekte erwarten, die zu sinkenden Preisen für den einzelnen führen. Ich empfinde das Argument jedenfalls als fadenscheinig und wenig stichhaltig.
Leider geht von einer solchen Preiserhöhung auch ein völlig falsches politisches Signal aus: Gerade in Stuttgart wird händeringend nach einer Lösung für die innerstädtischen Verkehrsprobleme gesucht. Während anderswo deswegen sogar über kostenlosen ÖPNV nachgedacht wird, steigen hier die Preise immer weiter. Das dürfte nicht gerade dabei helfen, immer mehr Menschen zu überzeugen, das Auto stehen zu lassen und die Öffentlichen zu benutzen. Es reicht nicht, das Autofahren immer unbequemer zu machen, um Menschen zum „Umsteigen“ zu bewegen! Der ÖPNV muss attraktiver werden, wenn er sich im Wettbewerb mit dem Auto durchsetzen soll.
Damit wären wir, bezogen auf Stuttgart, auch schon beim nächsten Punkt: Der Attraktivität des ÖPNV. Eine Preiserhöhung wäre für mich dann noch halbwegs nachvollziehbar, wenn der VVS zufriedenstellende Leistungen liefern würde, doch davon ist er weit entfernt. Besonders bei der S-Bahn kann man nur noch von Chaos sprechen. Ich persönlich kann mich nicht erinnern, 2015 auch nur einmal aus Stuttgart Richtung Backnang mit einer S3 gefahren zu sein, die 0 Minuten Verspätung hatte. Auch mein, zugegeben subjektiver, Eindruck hier aus Oslo unterstützt das: Täglich lese ich auf Twitter die Meldungen des VVS von neuen Störungen, Fahrtausfällen, Verspätungen oder ähnlichem. Mein persönlicher Höhepunkt war, als fast alle S-Bahnen stillstanden – angeblich wegen eines Luftballons, dessen tatsächlcihe Existenz inzwischen aber zumindest stark bezweifelt werden muss. Meine subjektiven Eindrücke werden von den Statistiken auch unterstützt: In keinemd er letzten Monate konnte die S-Bahn in Stuttgart ihre Zielwerte die Püntklichkeit betreffend einhalten. Nachzulesen ist das Ganze übrigens auf s-bahn-chaos.de, einer Seite, die sich dezidiert der Stuttgarter „Chasobahn“ widmet. Allein das sagt schon viel über diese aus. Wenn ich die Erfahrungen aus Stuttgart mit denen hier in Oslo vergleiche, erkenne ich unglaubliche Unterschiede. In den fast drei Monaten, die ich bisher hier verbracht habe und in denen ich täglich, auch in Hauptverkehrszeiten, mit der hiesigen U-Bahn fahre, habe ich es nur ein Mal erlebt, dass diese um mehr als 5 Minuten verspätet war! Übrigens würde ich hier auch den Fahpreis für ein Taxi ersetzt bekommen, wenn ich mit dem ÖPNV mein Ziel mehr als 20 Minuten verspätet erreichen würde. Zustände, von denen ich in Stuttgart (bei deutlich höheren Preisen) nicht einmal zu träumen wage.
Zusammenfassend bleibt zu sagen, dass ich die Preiserhöhung im VVS ein falsches Signal zur falschen Zeit finde. Im Moment sollte mehr Wert darauf gelegt werden, die Leistungen der Stuttgarter S-Bahn zu verbessern und den ÖPNV attraktiver zu machen. Außerdem sollten die Fahrgäste an den gesunkenen Preisen für Energie teilhaben, sonst werden die Öffentlichen ihr Duell gegen das Auto nicht gewinnen können.