Ich denke, jede*r, der die letzten Monate nicht in einer Höhle im Winterschlaf verbracht hat, hat die Entwicklung um die Bewegung „Fridays for Future“ mehr oder weniger aktiv mitverfolgt. Gegründet von der 16jährigen schwedischen Schülerin Greta Thunberg, organisiert die Bewegung inzwischen weltweit sogenannte „Klimastreiks“, bei denen junge Menschen Freitags während ihrer Schulzeit an selbst organisierten Demonstrationen für besseren Klimaschutz teilnehmen.
Jetzt gibt es wissenschaftliche Unterstützung für die tausenden demonstrierenden jungen Leute: Unter dem Namen „Scientists for Future“ haben sich mehr als 12.000 (!) Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus allen möglichen Disziplinen zusammengetan, die die „Fridays for Future“ ausdrücklich unterstützen und die Notwendigkeit der von ihnen geforderten Maßnahmen unterstreichen. Auch ich bin seit letzter Woche stolzer Unterzeichner des Aufrufs, der heute in der Bundespressekonferenz einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Unsere Botschaft: Die Anliegen der jungen Menschen sind berechtigt und gut begründet, die derzeitigen Maßnahmen zum Klima-, Arten-, Wald-, Meeres- und Bodenschutz reichen bei weitem nicht aus. Insbesondere kommt es jetzt darauf an, den Kohleausstieg bis spätestens 2030 zu vollziehen und alle erdenklichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Netto-Emissionen von CO2 und anderen Treibhausgasen schnell abzusenken und weltweit spätestens zwischen 2040 und 2050 auf null zu reduzieren .
Die Fridays-for-Future-Bewegung wurde zuletzt immer öfter Ziel konservativer Kritik aus mehr oder weniger durchschaubaren Motiven, zuletzte meldet sich Christian Lindner in herabfallendem Ton zu Wort und forderte die Schüler*innen auf, die Klimapolitik „Profis“ zu überlassen. Insofern wird es den FDP-Chef freuen, dass sich bereits unter den 700 Erstunterzeichner*innen viele führende Klima-, Energie und Umweltforscher*innen finden. Jede*r einzelne von diesen dürfte in Bezug auf Klimaforschung mehr Profi sein als die gesamte FDP zusammen genommen.
Mir selbst liegt das Thema sehr am Herzen. Wer hier schon länger mitliest, weiß, dass ich selbst unter anderem wegen ihrer Klimapolitik den Grünen (Und früher der GJ) nahe stehe. Gerade als Wissenschaftler*innen haben wir, denke ich, eine besondere Verantwortung. Wir müssen darauf hinweisen, wenn die Gesellschaft große Gefahren zu ignorieren und zu unterschätzen droht, deren komplexen Zusammenhänge nicht von allen durchdrungen werden. Wir müssen die berechtigten Forderungen der jungen Leute, die in erste Linie eine halbwegs heile Welt übernehmen wollen, unterstützen und auf die Richtigkeit ihrer Forderungen aufmerksam machen. Mich erfüllt es mit etwas Stolz und vor allem großem Respekt, wenn ich sehe, dass die Menschen, die teilweise einige wenige, teilweise aber auch mehr als zehn Jahre jünger als ich sind, mit solcher Vehemenz für echten Klimaschutz eintreten. Ich kann aus eigener Erfahrung nachvollziehen, wie viel Energie dieser Aktivismus viele von ihnen kosten muss. Nicht nur als Privatperson, sondern auch als Physiker kann ich sagen: Ich teile eure Einschätzungen und habe dieselben Forderungen an Politik und Gesellschaft!
Die Forderungen der Schülerinnen und Schüler von „Fridays for Future“, die mittlerweile in 50 Ländern aktiv sind, lauten etwa: „echter“ Klimaschutz, also insbesondere Maßnahmen zur drastischen Reduzierung des Ausstoßes von CO2 und anderen Treibhausgasen, um die menschengemachte Klimakatastrophe zumindest abfedern zu können und die weltweite Erwärmung auf höchstens 1,5° C zu begrenzen. Gerade in Deutschland wird außerdem ein deutlich schnellerer Kohleausstieg gefordert als von der Bundesregierung bisher geplant, da die Bundesrepublik anders nicht in der Lage wäre, ihre selbst gesetzten Klimaziele einzuhalten. Die jungen Menschen argumentieren, dass die älteren Generationen eine Verpflichtung hätten, unseren gemeinsamen Planeten in einem akzeptablen Zustand zurückzulassen. In der Tat hat sich mittlerweile fast so etwas wie ein Generationenkonflikt an dieser Frage gebildet: Auf der einen Seite die jungen Schüler*innen, die eine auffällig diverse Protestbewegung gebildet haben (dass etwa sowohl das globale Vorbild der Bewegung, Greta Thunberg, als auch das deutsche Gesicht von Fridays for Future, Luisa Neubauer, junge Frauen sind, ist wirklich beispielhaft für die gesamte Bewegung), auf der anderen Seite meistens ältere Leute, in der Öffentlichkeit interessanterweise hauptsächlich durch männliche Kolumnisten bei großen Medienhäusern sowie konservative Politiker vertreten. Deren Kritik zielt oft auf teilweise ehrverletzende Art und Weise auf der persönlichen Ebene auf die prominenten Vertreter*innen von Fridays for Future und deren Alter, privates Verhalten und teilweise sogar Aussehen. Häufig wird außerdem die Methode des Streiks während der Schulzeit kritisiert, auch von Menschen, die in ihrer eigenen Jugend lieber Jungunternehmer denn Schüler waren. Ironischerweise bestätigen diese Menschen durch ihre lautstark vorgetragene Kritik den Gedankengang der Streikenden, die sich in erste Linie mehr Aufmerksamkeit für ihre wichtigen Anliegen erhoffen. Inhaltliche Kritik an ihren Zielen, so sie denn stattfindet, bedient sich zurzeit aller bekannten Ausreden von „es gibt keinen Klimawandel“ über „der Klimawandel ist nicht menschengemacht bzw. „wir hierin Deutschland können sowieso nichts beeinflussen“ bis hin zum Ruf nach mehr Rücksicht auf wirtschaftliche Interessen. Wir von den Scientists for Future geben den jungen Leuten aber recht: Es gibt keine Zeit mehr, wir müssen unsere Gesellschaft ohne weiteres Zögern auf Nachhaltigkeit ausrichten. Ohne tiefgreifenden und konsequenten Wandel ist ihre Zukunft in Gefahr. Dieser Wandel bedeutet unter anderem: Wir führen mit neuem Mut und mit der notwendigen Geschwindigkeit erneuerbare Energiequellen ein. Wir setzen Energiesparmaßnahmen konsequent um. Und wir verändern unsere Ernährungs-, Mobilitäts- und Konsummuster grundlegend.