Wir erleben gerade stürmische Zeiten, was die Netzpolitik angeht. PRISM, Tempora und die ganze Überwachung regen uns (zu Recht!) alle auf, endlich demonstriert mal jemand dagegen, wir zitterten mit Snowden in Russland und mit Manning in den USA und zu guter Letzt ist das LSR auf dem besten Weg, noch beim Start zu floppen, allerdings nicht, ohne uns dabei rivva zu beschädigen. Dabei fallen leider nicht ganz so aktuelle und auf den ersten Blick weniger dringende Themen unter den Tisch – beispielsweise die Netzneutralität.
Auch ich habe mich in den letzten Wochen etwas weniger dazu geäußert, das lag aber daran, dass ich selbst viel unterwegs war. Jetzt gibts mal wieder eine kleine Meinung und Einschätzung von mir.
Die erste Sache, die netzneutrale Wellen geschlagen hat in der letzten Zeit, war natürlich Herrn Röslers Verordnungsentwurf. Dass diese Managed Services erlaubt und damit, wie erwartet, unbrauchbar ist, dürfte die wenigsten von uns umgehauen haben. Ähnlich verhält es sich mit der Tatsache, dass die Verordnung an sich praktisch schon gescheitert ist. Warum? Nun, aller Vorraussicht nach wird sie innerhalb der aktuellen Legislaturperiode nicht mehr verabschiedet. Danach kommt erstmal die Koalitionsbildung mit anderen, „wichtigeren“ Themen. Und selbst wenn es danach noch für schwarz-gelb reichen sollte, die FDP übder die 5%-Hürde stolpert UND Herr Rösler uns als Wirtschaftsminister ‚erhalten‘ bleiben sollte – wer sagt denn, dass er dann, ohne den Druck des Wahlkampfs, noch Interesse an dieser Verordnung hat?
Eventuell ist das aber völlig egal. Denn: Die EU-Komissarin Neelie Kroes, die uns kürzlich noch versprach, die NN zu schützen, hat gerade Pläne, sie dabei einfach mal abzuschaffen. Kurz danach ruderte sie zwar wieder zurück, aber eins ist jetzt klar: Die derzeit größte Gefahr für das neutrale, freie Netz kommt aus Brüssel. Sollte dort nämlicheine Verordnung wie die vorher genannte Beschlossen werden, die Diskriminierung von Daten erlaubt, würde das bedeuten, das Mitgliedsländer keine gegenteiligen Regelungen erlassen dürften. Und da wäre sogar Röslers löchrige Karrikatur einer Verordnung mit eingeschlossen.
Das heißt für die Zukunft: Möglichkeit 1 – die EU-Komission macht mit ihren alten Plänen weiter. Dann wäre die Netzneutralität tot. Aus SPD-Kreisen wurde mir zwar schon vorgeschlagen, dagegen eine europaweite Petition zu starten, wie es etwa bei der Wasserprivatisierung erfolgreich gemacht wurde. Aber: Erstens möchte ich selbst diesen Stress so bald nicht nochmal mitmachen und denke vor Allem zweitens: Scheitert so eine Petition, und das ist bei allen europaweiten bis auf jene eine geschehen, steht die Netzgemeinde als Verlierergemeinde da, das Thema erscheint unwichtig. Deshalb muss diese EU-weite Verordnung anders aufgehalten werden – aber da haben wir wohl sogar schwarz-gelb auf unserer Seite.
Möglichkeit 2 – Rösler bringt seine Verordnung durch. Immerhin besser, aber: Wir werden dann eine Verordnung haben, die Managed Services erlaubt. Das ist keine echte Netzneutralität! Das ist, was die Telekom darunter gerne verstehen würde
Möglichkeit 3 – weiter eine der Netzgemeinde abgeneigte Bundesregierung, aber sogar ohne Röslers Verordnung. Das ist im Prinzip vom Ergebnis her wie Möglichkeit 1, nur, dass man die Hoffnung haben könnte, dass sich bald etwas ändert.
Möglichkeit 4 – neue Regierung mit echtem Gesetz zur echten Netzneutralität. Das wäre ein 6er im Lotto. Allerdings siehts es ja für einen Regierungswechsel zur Zeit sehr schlecht aus, außerdem glaube ich erst, dass eine andere Bundesregierung die Netzneutralität echt sichert, wenn das entsprechende Gesetz in Kraft tritt.
Alles in allem: Die Chancen für die Netzneutralität sind nicht die besten. Trotzdem sollten wir nicht aufgeben, im Gegenteil: Der Politik muss klar werden, dass das Thema langfristig interessant ist, dass es ein echtes gesellschaftliches Thema ist! Dann haben wir Chancen, dass zumindest Möglichkeit 3, eventuell aber auch Möglichkeit 4 wahr wird. Fragt doch mal bei Wahlkampfaktionen eurer lokalen KandidatInnen, was die zur Netzneutralität sagen – besser kann man ihnen nicht klar machen, dass das „die Straße“ interessiert.
Slash
Meine größte Hoffnung ist eine Kehrtwende durch die Bundestagswahl und EU-Wahl.
Zur Möglichkeit 1:
Kroes ist Kroes – da kann man nichts machen; so lange die da hockt, wird in Sachen
Netzneutralität weiter in Worten Netzneutralität befürwortet, und in Taten getötet.
Zur Möglichkeit 2:
Während der Erstentwurf der Netzneutralitätsverordnung noch so erschien, als
enthielte er lediglich grobe handwerkliche Mängel, wurde mit dem kürzlich
erschienenen Zweitentwurf – Medien berichteten: http://www.heise.de/newsticker/meldung/Philipp-Roesler-Neuer-Anlauf-zur-Netzneutralitaet-1932647.html – klar, dass
Rösler macht einen auf Nelee Kroes; bloß halt nicht auf EU-, sondern Bundes-Ebene.
Zur Möglichkeit 3:
Wo du da einen Kern Hoffnung ausmachst, erschließt sich mir nicht ^^ …
Zur Möglichkeit 4:
Jo, da ist ja meine Option, der ich mich anschließen kann !
Ja, also ich brauch‘ auch, dass es unmissverständlichen Druck an der Wahlurne braucht;
wie so oft gilt wohl auch bei Politikern das Motto „Lernen durch Schmerz“ – tja, und
was schmerzt Politiker mehr, als purzelnde Prozente ?
Aber ich denk‘, dass wir trotzdem, sehr gute, und wichtige Impulse gesetzt haben;
und damit haben wir im Grunde genommen sogar mehr gerissen, als all der Widerstand
gegen den Überwachungsskandal es bislang tat: Die Masse der Leute ist nämlich auf unserer Seite.
Das ist ja schon mal was… was gewaltiges, sogar.
Woran es momentan krankt, bzw. schwierig ist, ist die Transferleistung:
Also „Ich will Netzneutralität im Gesetz; das ist für mich wahlentscheidend und deshalb
werde ich zur Wahl gehen und Partei X oder Y wählen.“
… hoffentlich werden wir tatsächlich mit unserem Engagement das Thema Netzneutralität im Wahl-o-maten reinbekommen haben… die Aussichten dafür sehen ja gut aus… ja, und dann heißt’s ganz besonders, ordentlich den Wahl-o-maten verteilen, wenn’s denn drin ist…
Viele Grüße,
/ aka Oliver