Warum VDS/MSF nicht besser als Prism ist

Ich bin wieder etwas im Rage-Modus. Eben bin ich auf Twitter über einen SZ-Kommentar zur „Mindestspeicherfrist“ a.k.a. Vorratsdatenspeicherung gestolpert, der diese über den grünen Klee lobt und alle Risiken herunterspielt. Und nicht nur das: „Die Mindestdatenspeicherung, um die es in Deutschland und in der EU geht, hat damit [PRISM, Tempora etc.] wenig zu tun“, heißt es da. Grund genug, mal klarzustellen, das Überwachung immer beschissen ist. Egal, ob sie nun VDS, PRISM, Tempora, Großer Bruder oder in bestem CDU-Neusprech „Mindestspeicherfrist“ heißt.

Der SZ-Artikel gibt der Mindestdatenspeicherung (dieser Begriff wird übrigens kommentar- und kritiklos übernommen. Klingt ja auch harmloser und vor allem weniger vorbelastet als „Vorratsdatenspeicherung“) eine zentrale Rolle bei der Verbrechensbekämpfung, besonders gegen Kinderpornographie, unterstellt ihr sogar, dass man damit im Falle der NSU erfolgreicher hätte ermitteln können.“ Bestimmte Verbechen“ seien ohne kaum aufzuklären. Konkrete Beispiel oder gar Belege bleibt der Autor schuldig, sie wären wohl auch schwieirg zu finden. Die Erfahrungen aus Dänemark, aber auch der wissenschaftliche Dienst des Bundestags belegen nämlich das Gegenteil: Die Aufklärungsquote von Verbrechen, besonder auch die von Online-Kriminalität, steigt durch VDS nicht, sie ist unbrauchbar zur Verbrechensbekämpfung.

[Banksy-Graffiti]

„What are you looking at?“ by nolifebeforecoffe on flickr. CC-BY 2.0
http://www.flickr.com/photos/nolifebeforecoffee/124659356/

Dem gegenüber steht aber auch bei der Vorratsdatenspeicherung ein massiver Eingriff in unsere BürgerInnen- und Grundrechte. Das Recht auf Privatsphäre, das Recht auf informelle Selbstbestimmung, all das wird von jeder Form der Überwachung mit Füßen getreten. Joachim Käppner redet davon, ein Schaden für die BürgerInnenrechte sei nicht erkennbar. Ja, gibt es denn einen größeren Schaden als die völlige Missachtung dieser Rechte? Zu oft hören wir, das müssten wir in Kauf nehmen, um der lieben Sicherheit willen. So auch hier wieder. Aber: Es gibt kein Grundrecht auf absolute Sicherheit! Und das aus gutem Grund, damit ließe sich jeder Polizeistaat rechtfertigen. Faschismus rechtfertigt sich fast immer dadurch, dass der starke Staat nur zum Schutz seiner BürgerInnen nötig sei. Diese Befürchtungen, die Gefahr eines Überwachunsstaats – das nennt Käppner „abstrakt“. Und damit ist er nicht alleine: Laut ARD-Deutschlandtrend nehmen immerhin 55% der Deutschen das Ausmaß der Überwachung in der Bundesrepublik in Kauf, um Terrorakte zu verhindern. Diese 55% scheinen keine Angst vor einem Überwachunsstaat zu haben.  dabei wird das doch gerade ad Absurdum geführt: Der Überwachungsstaat ist nicht mehr abstrakt, er ist real existierend. Und zwar nicht nur in den USA, sondern weltweit, auch bei uns, auch dank der Hilfe unserer Geheimdienste. Anlasslose, großräumige, unkontrollierte und unkontrollierbare Überwachung. Nur zu unserem Schutz, natürlich. Vor wem denn? Vor uns selbst? Sollen hier die westlichen Ideale wie Freiheit, Demokratie und Menschenrechte vor ihrer Aushölung geschützt werden? Merkt ihr selbst, was? Wovor man uns schützen muss, sind Überwachung und deren Missbrauch – der auch in Deutschland möglich ist!

„Wer nichts zu verbergen hat, hat nichts zu befürchten.“ So heißt es immer wieder. Wer das sagt, verhält sich in größtem Maße asozial. Er/sie spricht damit allen anderen das Recht auf Privatsphäre ab. Dieses Recht tritt man übrigens, auch wenn es im SZ-Kommentar anders klingt, nicht ab, wenn man irgendwo im Internet Informationen über sich selbst veröffentlicht. Das ist informelle Selbstbestimmung: Ich darf entscheiden, wer welche Informationen über mich bekommt. Nicht der Staat und auch keine Telekommunikatiosnunternehmen.

Für mich macht es keinen Unterschied, wer meine Daten speichert, wer mich anlasslos überwacht. da ist die deutsche Vorratsdatenspeicherung nicht besser als PRISM, erst recht nicht, wenn sie sogar zur Bekämpfung von Bagatellen eingesetzt würde. „Es wäre sicher sinnvoll, den Zugriff auf die Daten nur bei schweren Straftaten zu erlauben.“, heißt es bei der SZ. „Sicher sinnvoll?“ So kann man das sagen. Für mich klingt das allerdings, als hätte der Autor auch kein Problem damit, wenn auch bei kleinsten Vergehen die VDS zum Zuge kommen würde. Dann wäre der ominpräsente Überwachungsstaat aber Realität. Für mich ist das nicht besser als die Überwachung durch die Amis. Überhaupt nicht.

Anmerkung: Im letzten Absatz habe ich gegenüber der ursprünglichen Version ein nachträglich etwas umformuliert, um klarer auszudrücken, was ich meine.

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